Ein fragiler Magen, ein goldener Hund und ein Frühstück wie früher
- Snev

- 16. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Juni
Zugegeben, ich habe schon besser geschlafen. Aber auch schlechter. Irgendwann gegen Mitternacht landete ich endlich im Schlaf, auf meiner notdürftig entfalteten Luftmatratze – stilecht auf dem Boden meines Bullis, der bei zehn Grad Außentemperatur und Dauerregen mehr nach Blechdose als Abenteuer klang.
Aber: Ich schlief. Zehn Stunden lang. Manchmal ist das schon alles, was zählt.
Der Platz: kostenlos, mit Wasser, Strom, WC – und dem gewissen Etwas, das sich nur schwer beschreiben lässt. Irgendwas zwischen sozialer Utopie und französischer Nonchalance. Wie ich später lernte: Solche charmanten Gratis-Plätze gibt es fast ausschließlich im Grand Est. Merci, République!
Die Frage des Tages, die mich sonst begleitet wie ein schlecht trainierter innerer Reiseleiter („Was machst du heute? Wo willst du hin?“), fiel heute aus. Ich hatte gestern schon entschieden: Ich würde sie besuchen. Die Basilique Sainte-Jeanne-d'Arc.
Sie thront auf einem Hügel wie eine Mischung aus Disneyfilm und Geschichtsleistungskurs. Ein kolossaler Bau mit teilvergoldeten Statuen, über den Feldern wachend, als hätte Jeanne d'Arc ihre himmlische Personalunion mit einem Architekten verwirklicht.
Ich stand dort. Blick über das Tal. Sonne im Gesicht. Und in meinem Magen ein Revolutionsgefühl, das wenig mit glorreichen Momenten zu tun hatte.
Nach kurzem inneren Dialog – Magen contra Sehenswürdigkeit, Ergebnis: unentschieden – legte ich mich einfach in die Sonne am Rand der Basilika und tat das einzig Sinnvolle: gar nichts.
Wenn man Zeit hat und einem mittelmäßig ist, passiert etwas Sonderbares. Man wird sozial.
Ich telefonierte durch die Familie (zweimal Mailbox, einmal „Was willst du schon wieder?“) und landete dann bei Felix, der ein Problem auf Arbeit hatte. Ich hörte zu. Vielleicht half ich. Vielleicht auch nicht. Aber es war gut, da zu sein.
Gegen 15:30 Uhr beschloss ich, mir ein bisschen Luxus zu gönnen. Also suchte ich mir ein Bett. Echte Matratze, festes Dach, französische Gastfreundschaft. Meine Wahl fiel auf: „Bienvenue au Pays de Jeanne“ – ein kleines B&B in Soulosse-sous-Saint-Élophe, geführt von Jean-Luc und Marie Kinzelin. Schon beim Namen spürt man: Hier ist nichts gewöhnlich.
Als ich ankam: kein Mensch zu sehen. Fenster im ersten Stock standen offen, alles roch nach Sonne und Holz. Ich öffnete die Tür einen Spalt und rief zaghaft „Bonjour“.Aus dem Fenster beugte sich ein freundliches Gesicht, leicht überrascht. Das Buchungssystem hatte mich verschluckt. Pas de problème, ich war heute der einzige Gast – und durfte mir mein Zimmer aussuchen.
Natürlich nahm ich das mit Blick auf die Terrasse und das grüne Nichts dahinter.
Marie fragte, wann ich frühstücken wolle. Ich sagte „10 Uhr“, sie sah mich an wie ein empörtes Croissant. Ich lächelte schief, murmelte etwas von „letzten Nächten“ und sie nickte, halb streng, halb mitleidig.
Am nächsten Morgen dann: Frühstück wie bei Großmutter Deluxe. Frische Madeleines (zwei landeten sofort in meiner Jackentasche), Joghurt aus eigener Herstellung, Eier von glücklichen Hühnern, Käse aus dem Nachbardorf. Und ein Hofhund namens Billy, der aussah wie ein zu groß geratener Teddybär und die Energie eines buddhistischen Mönchs ausstrahlte.
Ich fühlte mich angekommen. In mir. In Frankreich. Und ein bisschen in dieser sanften Idee von Leben, die man nur findet, wenn man alles andere loslässt.
Dann sammelte ich meine zum Trocknen aufgehängten Sachen vom Bulli – die flatterten wie bunte Gebetsfahnen im Wind – und machte mich auf den Weg nach Neufchâteau.
Aber das, mes amis, ist eine andere Geschichte.













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