Ein Königreich für ein Abschleppseil - Oder was nasse Crocs mit französischer Zurückhaltung zu tun haben
- Snev

- 15. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Juni
Die Nacht war… sagen wir: bewegt. Nicht wegen innerer Unruhe oder dramatischer Träume – nein, schlicht wegen Windböen, die meinen Bus in den Schlaf wiegten. Ich schlief trotzdem gut. Ein kleines Frühstück später tuckere ich selig die D331 entlang, genieße die regennasse Poesie der französischen Landschaft: graugrün, verwaschen vom stetigen Regen. Das Hirn: im Leerlauf. Die Stimmung: friedlich ahnungslos.
Bis ich falsch abbiege.
Und zwar nicht elegant falsch, sondern „blutiger Anfänger“-falsch. Der Versuch zu wenden endet mit dem Hintern meines Bullis im Graben. Und das, obwohl ich mir voller Stolz eine Rückfahrkamera eingebaut habe. Die war natürlich aus. Technik kann so hilfreich sein – wenn man sie benutzt.
Ich fluche. Ich schiebe. Ich fluche mehr. Der Bus bleibt, wo er ist.
Aber hey – ich habe doch Zeit.
Also versuche ich, das französische Naturell zu testen. Ich winke freundlich, spreche Menschen an, stelle mich sogar auf die Straße. Doch Frankreich zeigt sich von seiner ruppigen Seite. Die Reaktionen reichen von ausweichend bis barsch („Rufen Sie doch die Polizei!“). Ich beginne zu zweifeln.
Ein Mann mit verdreckter kurzer Hose, nass bis auf die Haut und blauen Crocs – ich sehe wohl aus wie der lebendig gewordene Alptraum einer Vorabendwarnung in einem französischen Verkehrssicherheitsfilm.
Aber Selbstkritik ist was für trockene Tage. Heute entscheide ich mich dafür, das französische Savoir-faire in Sachen Straßenhilfe einfach… kreativ zu interpretieren.
Ich trotte also ins nächste Dorf – Maizières. Und dann: Hoffnung! Ein gepflegter 4x4-Nissan mit Anhängerkupplung, wie aus dem Werbekatalog für ländliche Rettung. Ich klingele. Ein älterer Herr öffnet. Meine ersten Worte: Kauderwelsch. Seine ersten Reaktionen: Skepsis. Aber dann, mit Hilfe meiner treuen Übersetzer-App: Verständnis.
Er kommt tatsächlich mit. Ohne Flinte. Ohne Augenrollen.
Am Ort des Schlamassels angekommen, ein fast zärtliches „Oh là là“, gefolgt von einem universellen Zischen zwischen Zähnen. Ich grinse. Zwei Minuten später zieht der 4x4 den Bus aus dem Graben, als wär’s ein Matchboxauto. Ich juble und kann eine Umarmung nicht unterdrücken. Er lächelt milde.
Sein sinnvoller Rat zum Abschied: „Wenden Sie bitte nicht noch mal auf einer so schmalen Straße.“
Ich gelobe Besserung.
Jetzt stehe ich auf einem großen LKW-Parkplatz. Wende stolz und würdevoll wie ein Ozeandampfer. Verstaue das Abschleppseil – mein heutiges Lieblingskilo.
Und denke:
Manchmal braucht es nicht viel. Nur einen alten Mann, einen 4x4 – und ein bisschen Menschlichkeit im Regen.





Großartig 😂
Hallo Snev, sehr beeindruckend echt super.